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Recht geht vom Volk aus. Dieses hat mit Nationalrat und Bundesrat seine
Vertretung. Und diese hat beschlossen, das Österreichische Bundesheer
nach den Grundsätzen eines Milizsystems auszurichten. Mit allgemeiner
Wehrpflicht für Rekruten und Milizkräfte. Durch ein Referendum
eindrucksvoll bestätigt! Die derzeit um eine Regierung verhandelnden
Parteien haben einen „neuen Stil“ angekündigt. Darauf kann man hoffen.
Ändert sich nichts, werden es wohl die Parteien sein, die ihr Ende
finden. Denn es ist die Hoffnung, nicht die Partei(en), die zuletzt
stirbt.
Systemisierte Sinnlosigkeit
Spätestens seit der Amtsführung des ehemaligen
Verteidigungsministers Platter, dem (aus welchen Motiven auch immer) der
Blick auf die realen Verhältnisse im Heer verstellt gewesen sein mag,
widerspricht die Ausrichtung des Bundesheeres dem Gebot des
Verfassungsgesetzgebers. Wäre die Ausrichtung des Heeres nämlich eine –
so wie es im Gesetz steht - nach dem Grundsatz der Miliz, so hätte diese
den weit überwiegenden Teil der Armee zu stellen. Zu diesem Grundsatz
zählt, das im Grundwehrdienst Erlernte wiederholt zu üben, um im
Bedarfsfall Schutz und Hilfe leisten zu können. In Österreich ist das
Gegenteil der Fall.
Das System, wie derzeit die Wehrpflicht praktiziert
wird, ist weitestgehend sinnlos! „Mit den vier Brigaden und
Spezialeinsatzkräften sowie mit den territorial zuständigen
Militärkommanden deckt das Heer alle Aufgaben im Bereich der
Bodentruppen ab …“ lautet es auf der Website des BMLVS. 22 Bataillone,
die in vier Brigaden gegliedert sind, das Jagdkommando, Militärpolizei
und die Führungsunterstützung bilden das Gros des Heeres. Mehr als
20.000 junge Staatsbürger, die sich entschieden haben, Wehrdienst zu
leisten, werden darin zur Feldverwendungsfähigkeit ausgebildet oder
dienen als Systemerhalter.
Ersteres dauert fünf Monate, danach sind die Rekruten
feldverwendungsfähig und bilden das menschliche Füllmaterial von oben
genannten Berufskaderrahmenverbänden. Mitunter üben sie gar in den
letzten vier Wochen ihrer Wehrpflicht. So hat man dann im letzten Monat
des 6-monatigen Grundwehrdienstes für jeweils ein paar Tage zumindest
Teile eines ungenügenden Präsenzheeres. Danach werden die
Wehrpflichtigen ohne jede weitere militärische Inanspruchnahmen auf
Nimmerwiedersehen in das zivile Leben „entlassen“.
Seriöse Politik?
Von der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zur
Ausrichtung nach dem Prinzip einer Miliz kann also keine Rede sein.
Ebenso wenig vom Entsprechen der Bedrohungslage, die ein Bedarfsheer
fordert. Darüber kann auch die Scheinexistenz von 10 Milizbataillonen
(je eines pro Bundesland und zwei in Wien) nicht hinwegtäuschen. Für
diese sind nicht einmal annähernd genug Milizsoldaten vorhanden, weil
man lediglich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit rekrutieren möchte.
Die gesetzliche Regelung, im Fall zu geringer Menge an
Freiwilligen diese amtswegig zu rekrutieren, wurde auf dem Papier
festgehalten. Eine gleich wenig verfassungskonforme „Lösung“, über die
mit Augenzwinkern gleichzeitig versichert wurde, davon keinen Gebrauch
machen zu wollen. Seriöse und glaubwürdige Politik?
Für diese ausgehungerten Milizbataillone, nach deren
theoretischem Muster eigentlich das Heer zu organisieren wäre, gibt es
auch keine Geräteausstattung. Für die mitunter stattfindenden Übungen
(mit Milizkader) wird Leihgerät für Übungszwecke im Kreis geschickt.
Eine Groteske, wenn dies Grundsatz der Heeresorganisation sein soll. Aus
dem Mund von militärischen Planern höchster Ebene ist zu vernehmen,
dass „man“ nicht gewillt sei, angesichts der Knappheit an Budgetmitteln
solche für militärische Verbände zu verwenden, die in einem etwaigen
Einsatz von „der Politik“ ohnedies nicht in Dienst gestellt würden.
Es ist die Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt
Das Primat der Politik wird missachtet. Was könnten die
Gründe dafür sein? Sind etwa die bisher handelnden Regierungspolitiker
mit Blindheit geschlagen? Oder wollen sie einfach nur nicht näher
hinsehen? Wird ihnen vielleicht gar ein X für ein U vorgemacht? Man muss
schließlich kein Schlieffen oder Clausewitz sein, um zu erkennen, dass
dieses Heer eben NICHT nach den Grundsätzen eines Milizsystems
organisiert ist, wie es der Gesetzgeber verlangt. Faktum ist:
Österreichs Heer ist ein Kaderrahmenheer, in dem Wehrpflichtige
lediglich herangezogen werden, um die Führungsfähigkeit des Berufskaders
zu erhalten.
Da drängen sich Fragen auf: Ist es Selbstzweck, ein
militärisches Perpetuum mobile, glatter und latenter Verfassungsbruch
oder ökonomischer Irrsinn, wenn man fünf Monate lang zigtausende junge
Österreicher ausbildet und maximal für drei Wochen als einsatztaugliche
Gewehrträger verwendet? Schlimme Fragen, besonders schlimm wär’s, wenn
alle Attribute zutreffen sollten.
Die Parteien, die eine neue Regierung „neuen Stils“
bilden wollen, sind gefordert, reinen Tisch zu machen. Entweder sie
anerkennen das politische Primat und vollziehen das Gesetz - oder sie
ändern dieses und tragen dem Rechnung, was sie bislang in Missachtung
des gültigen gesetzlichen Auftrags als „erfolgreiches Mischsystem“
bezeichnen. Eines, das sie seit Jahren nicht genügend finanzieren und
das zudem nicht dem Bedarf entspricht.
Die gesetzliche Änderung zugunsten der Bewahrung eines
solchen „Mischsystems“ wäre dann freilich die klare Absage an eine
sinnvolle Wehrpflicht. Und für diesen Fall wäre es freilich kein Wunder,
wenn die überwiegende Mehrheit unseres Staatsvolks, an das man am 20.
Jänner 2013 die Entscheidung über die Zukunft unseres Wehrsystems
delegiert hat, sich verhöhnt fühlen könnte. Und wenn es die Hoffnung
ist, die zuletzt stirbt, werden wohl noch vor ihr einige "abgetreten"
sein.