Keine politische ‚Baustelle‘?
Wie zuvor, ist auch in der aktuellen politischen Situation das Thema
militärische Sicherheitspolitik kein wirkliches Thema. Die Medien
bekommen von politischer Seite kaum essentielle Presseinformationen zu
diesem Thema und in der Tageszeitung ‚Der Standard‘ konnte man im
Vorfeld zu den derzeitigen Koalitionsverhandlungen sogar lesen, dass es
in diesen Fragen keine ‚Baustellen‘ gäbe. Also Alles ‚im grünen
Bereich‘!
Übrig bleibt die publikumswirksame Entscheidung, wer nun der neue
Verteidigungsminister sein wird. Wird es überhaupt eine Rot-Schwarze
Regierung geben? Bleibt der Derzeitige? Bleibt der Ministersessel der
SPÖ vorbehalten, oder wird es ein ÖVP Ministerposten? Was wäre mit den
Grünen? Oder mit den NEOS?
Eine notwendige gute Lösung bezüglich der ‚Baustelle‘ Bundesheer ist
mit diesen ministeriellen Personalentscheidungen ‚per se‘ allerdings
nicht garantiert.
Beim Kapitel Landesverteidigung gibt es aber tatsächlich eine sehr
große ‚Baustelle‘, die man aus finanziellen, gesellschaftlich-sozialen,
sicherheitspolitisch-militärischen und noch dazu aus
verfassungsrechtlichen Gründen nur mit einer wirklich durchdachten
Bundesheerreform erfolgreich bearbeiten kann. Betonung auf ‚
durchdachten‘.
Ein modernes Heer für den Bedarfsfall
Dazu muss man sich im Klaren sein, wozu Österreich militärische
Streitkräfte, das Bundesheer, wirklich braucht. Es ist weitgehend
unstrittig, dass man – auf Österreich bezogen - mit entsprechender
Vorsicht von einer aktuell als gering einzustufenden militärischen
Bedrohungslage sprechen kann. Von der Liste der wichtigsten
Einsatzszenarien für das Bundesheer ist nur die Luftraumüberwachung, die
Tätigkeiten der militärischen Nachrichtendienste und die jeweiligen
Auslandseinsätze, die nur eine ganz geringe Anzahl von Soldaten (knapp
1.000 Mann/Frau) betreffen, aktuell. Alle anderen Einsatzszenarien
fallen in den Bereich der Vorbereitung und der Ausbildung für den
Bedarfsfall. Und hier greift das Milizprinzip mit seiner
einsatzorientierten Kompetenz und Aufwuchsfähigkeit. Daher ist
logischerweise ein auf die Gegenwart bezogenes, teures stehendes Heer
(sogenannte präsente Kräfte) mit überwiegender Berufskomponente völlig
unnötig, viel zu teuer und geradezu anachronistisch.
Es geht um die nachhaltige Sicherheit Österreichs, für die man ein
einsatzorientiertes Bedarfsheer in der nötigen Personalstärke und
Leistungsfähigkeit braucht. Ein sinnvoll konzipiertes Heer ist demnach,
wie im Versicherungsprinzip, durch aufwuchsfähige gut ausgebildete
Milizstreitkräfte für die verschiedenen und zukünftig möglichen
Bedarfsfälle (Einsatzszenarien) zu planen.
Diese ausreichend großen Bedarfskräfte sind, hinsichtlich des
Finanzierungsrahmens, der Schlüssel zur weit ökonomischeren Lösung.
Sinnvoller Weise braucht man zusätzlich auch beispielsweise eine –
allerdings entsprechend kleinere - Berufskomponente zur Unterstützung
der Milizarmee bei der Führung, der Administration, Ausbildung und als
‚rapid reaction force’ für Ersteinsätze.
Schon jetzt sind die Personalkosten der militärischen Beamtenebene
(Berufssoldaten) viel zu hoch. Ein ranghoher Offizier hat einmal richtig
formuliert: „Warum soll ich einen Soldaten 365 Tage im Jahr besolden,
wenn ich ihn im Schnitt nur für ein paar Wochen zur einsatzorientierten
Weiterbildung für den Bedarfsfall brauche.“
Es gilt also, zur Bewältigung der umfassenden Aufgabenstellung des
Bedarfsheeres, eine entsprechend große Anzahl gut ausgebildeter und
somit professionalisierter und leistungsfähiger beorderter Milizkräfte
sicher zu stellen. Das ist das Hauptelement des Bundesheeres mit einer
zusätzlich integrierten kleinen, und gleichfalls leistungsfähigen,
Berufskomponente.
Es ist dies de facto die einzige, auch ökonomisch ernstzunehmende
Konzeption und sicherheitspolitisch notwendige, Strukturmaßnahme, die
obendrein in der österreichischen Verfassung verankert ist. Die gilt es
in getreulichster Form zu vollziehen.
Die künftige Regierung ist gefordert.
ACL