
Bei
der Volksbefragung vom 20. Jänner 2013 haben sich 59,7 % der Teilnehmer
für die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes
ausgesprochen. Ein besonderes Gewicht erhält dieses Ergebnis durch die
für alle überraschend hohe Beteiligung von 52,4 % aller
Wahlberechtigten.
Die hohe Beteiligung und die Klarheit des Votums bringen deutlich den
hohen Stellenwert zum Ausdruck, den Sicherheit in unserer Bevölkerung
hat. Damit stellt das Ergebnis der Volksbefragung auch einen
unmissverständlichen Auftrag an die zuständigen Politiker dar, sich
ernsthaft um die Sicherheit unseres Landes und unserer Bevölkerung zu
kümmern, und die ihnen für den Sicherheitsbereich übertragene
Verantwortung voll wahrzunehmen. Die aktuelle Situation entspricht
allerdings diesen Anforderungen bei weitem nicht.
Seit der Abschaffung der verpflichtenden Milizübungen (Truppenübungen)
nach dem Grundwehrdienst durch Verteidigungsminister Platter im Jahre
2006 wird die Bundesverfassung gemäß Artikel 79/1 (nach den Grundsätzen
eines Milizsystems), wonach der Wehrdienst aus einem
kurzem Grundwehrdienst sowie zusätzlichen periodischen, über einen längeren Zeitraum verteilten
Milizübungen (Truppenübungen) zu bestehen hat, vorsätzlich negiert.
Natürlich kann die Bundesverfassung geändert werden, wenn sich dafür im
Parlament eine 2/3-Mehrheit findet. Solange aber die Bundesverfassung
keine Änderung erfahren hat, ist sie in der geltenden Form zu
exekutieren. Aus gutem Grund werden die gewählten Politiker auf die
peinlich genaue Befolgung der Verfassungsbestimmungen vereidigt.
Der Ende Juni 2013 der Öffentlichkeit vorgestellte Bericht zur Reform
des Wehrdienstes enthält viele gute und richtige Ideen, die noch der
Umsetzung bedürfen.
An der verfassungswidrigen Gestaltung des Wehrdienstes hat sich aber nach wie vor nichts geändert.
Die Verpflichtung zu Milizübungen gibt es nach wie vor nicht, die
sogenannte „Miliz“ bleibt bestenfalls ein Anhängsel des vorwiegend aus
Berufssoldaten bestehenden Bundesheeres, die Miliztruppe wird nicht
beübt, allenfalls gibt es Kaderübungen mit Freiwilligen.
Wir haben nach wie vor ein Heer, das nach den Grundlinien eines kleinen
Berufsheeres ausgerichtet ist, und das die Wehrpflichtigen vorwiegend
als willkommene Rekrutierungsbasis für Berufssoldaten ansieht.
Diese aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst unbefriedigende Situation
ist nur eine Seite der Medaille. Es gibt sehr konkrete und zwingende
Gründe, das Milizsystem in seiner eigentlichen Konzeption umzusetzen.
Wir benötigen derzeit kein großes stehendes Heer, aber sehr wohl werden
für die aktuellen und mittelfristig absehbaren Bedrohungsszenarien
relativ große Stärken an Sicherheitskräften benötigt, die im Bedarfsfall
rasch aufbietbar und die auf ihre Aufgaben durch periodische Übungen
gut vorbereitet sind.
Eine sogenannte konventionelle Bedrohung ist derzeit nicht in Sicht.
Sehr wohl aber ist unser hochkomplexes und hochvernetztes Gemeinwesen
durch die rasante technologische Entwicklung der letzten 10 Jahre
äußerst sensibel und verwundbar geworden.
Dazu ein Zitat aus der im Juli 2013 im Parlament beschlossenen
Österreichischen Sicherheitsstrategie :
„2.1.2. Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen
Konventionelle Angriffe gegen Österreich sind auf absehbare Zeit
unwahrscheinlich geworden. Umso mehr sind Österreich und die EU von
neuen Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen betroffen.
Dazu zählen vor allem: der internationale Terrorismus; die Verbreitung
von Massenvernichtungs-waffen, auch unter nicht-staatlichen Akteuren;
die Europa betreffenden oder globalen Auswirkungen innerstaatlicher und
regionaler Konflikte oder Umwälzungen; das „Scheitern“ von Staaten;
natürliche und von Menschen verursachte Katastrophen; Angriffe auf die
Sicherheit der IT-Systeme („Cyber Attacks“); die Bedrohung strategischer
Infrastruktur; die grenzüberschreitende OrganisierteKriminalität,
Drogenhandel, Wirtschaftskriminalität, Korruption, illegale Migration;
nicht gelingende Integration; Knappheit von Ressourcen (Energie,
Nahrungsmittel, Wasser), Klimawandel, Umweltschäden und Pandemien;
Piraterie und die Bedrohung der Verkehrswege sowie die
sicherheits-politischen Auswirkungen der internationalen Finanz- und
Wirtschaftskrise.
Aufgrund weiter zunehmender politischer, wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Vernetzungen ist mit einer fortschreitenden
Internationalisierung der Herausforderungen für die Sicherheit
Österreichs zu rechnen.“
Eine der schlimmsten und von Sicherheitsexperten mit einer hohen
Eintrittswahrscheinlichkeit eingeschätzten Bedrohung stellt ein BLACKOUT
dar.
Ein großer, überregionaler Stromausfall – ein BLACKOUT – tritt immer
ohne Vorankündigung auf, und kann durch völlig unkontrollierbare
undkaskadenartige Ausbreitung binnen weniger Minuten hunderttausende
Quadratkilometer und zig-millionen Menschen betreffen. Die Dauer eines
BLACKOUT ist unbestimmt, und kann nicht vorhergesehen werden.
Die Ursachen dafür können sehr unterschiedlich sein. Die Bandbreite
reicht von Terroranschlägen auf Umspannwerke und Cyber-Angriffen auf
Steuerzentralen des Stromnetzes bis zu völlig alltäglichen Auslösern wie
Naturereignisse sowie technisches und menschliches Versagen.
Schlagartig fallen dann sämtliche vom Stromnetz abhängige Einrichtungen
aus.

Ausgenommen
davon sind Infrastruktureinrichtungen wie Behörden, Krankenhäuser,
etc., die durch Notstromaggregate (NSA) oder Akkus weiter in Betrieb
gehalten werden können. Während Akkus ohne Wiederaufladungnach einigen
Stunden ihre Funktionsfähigkeit verlieren, können NSA solange Strom
liefern, als Treibstoff verfügbar ist. Der Tankinhalt der meisten NSA
reicht für ca. 24 bis 48 Stunden. Um den Betrieb auch über diese Zeit
hinaus aufrechterhalten zu können, ist dann der kontinuierliche
Nachschub mit Treibstoff erforderlich.
Da aber in Österreich derzeit weder die Tankstellen noch die großen
Tanklager mit Notstromaggregaten ausgerüstet sind, ist ab dem Eintritt
eines BLACKOUT kein Treibstoff mehr zum Nachtanken verfügbar. Damit
steht für Notstromaggregate und natürlich auch für sämtliche
Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren kein Treibstoff zur Verfügung,
sobald deren Tankinhalt aufgebraucht ist.
Somit stellt sich der Ausfall der Treibstoffversorgung wegen nicht
vorhandener Notstromaggregate als die folgenschwerste Schwachstelle
unseres hochkomplexen Systems heraus. Ohne intakte Treibstoffversorgung
bricht die Grundversorgung der Bevölkerung mit allem Lebensnotwendigen
wie Lebensmittel und Wasser (falls von Pumpen abhängig) sowie die
medizinische Grundversorgung zusammen, sobald die Tanks der
Kraftfahrzeuge leergefahren sind. Dies trifft natürlich auch für die
Einsatzfahrzeuge von Rettung, Feuerwehr und Polizei zu. Damit ist
innerhalb der ersten 24 Stundenzu rechnen.
Parallel dazu fallen ohne Treibstoffversorgung für NSA in maximal 12
Stunden sämtliche Telekommunikationsmittel (Telefon, Funk) aus.
Mobiltelefone fallen bereits nach maximal 30 Minuten aus.
Lediglich das Bundesheer kann mit seinem eigenen
Treibstoffversorgungssystem in sehr beschränktem Umfang noch für eine
gewisse Zeit Transportmittel und Funkverbindungen verfügbar halten.
Mit dem Verlust der Mobilität durch Ausfall der Transportmittel und dem
Verlust der Telekommunikation gehen die beiden wichtigsten
Schlüsselfähigkeiten für das Funktionieren unseres hochkomplexen
Gesellschaftssystems verloren.
Als Folge davon ist ab ca. 24 Stunden Dauer eines BLACKOUT nicht nur
mit dem völligen Zusammenbruch der Grundversorgung der Bevölkerung zu
rechnen, sondern auch mit gravierenden Sicherheitsproblemen bis hin zum
Zerfall unserer Gesellschaftsform.
Um eine solche Notsituation nicht völlig aus dem Ruder laufen zu
lassen, ist eine relativ große Anzahl von Sicherheitskräften und
Hilfskräften erforderlich. Glücklicherweise verfügen wir in Österreich
über ausreichend viele Hilfskräfte bei den Rettungsdiensten (90.000) und
Feuerwehren (340.000), die im Bedarfsfall auch durch die Aufbietung von
300.000 Zivildienern erheblich verstärkt werden können, um der
Bevölkerung in den sicher auftretenden Engpässen in der Versorgung mit
Wasser und Lebensmittel und in der medizinischen Grundversorgung Hilfe
leisten zu können.
Bei weitem nicht so gut aufgestellt sind wir bei den
Sicherheitskräften, die in einer solchen Katastrophenlage für die
Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Sicherheit und für SCHUTZ und
HILFE für die Bevölkerung sorgen müssen.

Zur
Bewältigung einer solchen Krise sind sehr rasch verfügbare und
aufwuchsfähige Sicherheitskräfte (Milizkräfte) erforderlich, die nach
kurzfristiger in Dienst Stellung praktisch „aus dem Stand heraus“ in den
Einsatz (Objektschutz und Raumsicherung) gehen können.
Dazu sind regelmäßige Übungen in der Einsatzorganisation notwendig, um
die Aufgaben zu beherrschen und die örtlichen Gegebenheiten gut zu
kennen.
Am besten eignen sich dazu von Seiten des Bundesheeres
Milizkräfte, die nach dem Territorialprinzip organisiert sind, in die
durchaus Berufskader aus der jeweiligen Region integriert sein können.
Teile ließen sich nach dem Muster einer Alarmmiliz organisieren
(Beispiel AFDRU). Gerade bei Einsätzen dieser Art geht es nicht nur
um rein militärische Fertigkeiten, sondern auch um vielfältige
Kompetenzen, die unsere Milizsoldaten aus ihren unterschiedlichen
Zivilberufen und Gesellschaftsschichten mitbringen.
Zu den für solche Einsätze verfügbaren 25.000 Polizisten kommen
theoretisch 55.000 Soldaten unseres Heeres nach deren Aufbietung. Von
dieser politisch akkordierten Zahl von 55.000 sind wir aber in der
Realität sehr weit entfernt.
Abgesehen von den nicht ausreichend vorhandenen Geräten (z. B.
Funkgeräte) und viel zu wenig verfügbaren Kraftfahrzeugen, kann nach
allen bisherigen Erfahrungen niemals eine nennenswerte Einsatzstärke nur
mit Freiwilligen erreicht werden, die sich für die Miliz melden sollen.
Derzeit ist das Bundesheer weder in seiner Struktur noch in der
Auslegung des Wehrdienstes ohne Wiederholungsübungen dazu geeignet,
diesen neuen Bedrohungsformen zu begegnen.
Wir benötigen heute ein Bedarfsheer nach dem Grundsatz der Miliz, das vorwiegend nach dem Territorialprinzip aufgebaut ist.
In der
Österreichischen Sicherheitsstrategie sind unter Punkt 3.1.
Sicherheitspolitische Werte, Interessen und Ziele angeführt :
„Aus- und Aufbau effizienter ziviler und militärischer Kapazitäten und
Strukturen entsprechend internationalen Standards zur Erfüllung
sicherheitspolitischer Aufgaben.“
Die Realität entspricht dieser sicherheitspolitischen Zielsetzung
keineswegs. Weitere für einen BLACKOUT unverzichtbare Vorsorgemaßnahmen
sind:
Treibstoffnotversorgung: Eine in Relation zum abwendbaren Schaden
geringfügige Investition von ca. 8 Millionen EURO genügt, um die 4
großen Tanklager und ca. 90 strategisch wichtige Tankstellen mit
stationären Notstromaggregaten auszurüsten. Das genügt, um die
erforderliche Treibstoffversorgung zu sichern
Eigenvorsorge: Schützen kann sich nur, wer sich einer Gefahr
bewusst ist. Dazu ist Aufklärung notwendig, und damit die Förderung von
privaten Vorsorgen durch Bevorratung von Lebensmitteln, Medikamenten und
Wasser (wo notwendig) für eine Durchhaltedauer von ca. 2 Wochen.
Seit geraumer Zeit weisen Sicherheitsexperten mit Veröffentlichungen
und Vorträgen auf diese sehr realen Gefahren hin, um das in der
Bevölkerung und auch in der politischen Führung noch sehr mangelhafte
Risikobewusstsein zu heben, und sie von der Notwendigkeit der
vordringlichsten Vorsorgemaßnahmen zu überzeugen.
Letztendlich ist es die vornehmste Aufgabe unseres Gemeinwesens – somit
unserer politischen Führung – die Erfüllung der Grundbedürfnisse
unserer Bevölkerung zum Überleben in der uns gewohnten Form zu
gewährleisten und zu sichern.
Die ist nur möglich durch ausreichende Vorsorgen zur Bereithaltung von
Personal und Gerät, um ·Bedrohungen so weit wie möglich abzuwenden, und
·die Folgen von schlagend gewordenen Bedrohungen zu mildern.
Es ist hoch an der Zeit, die veränderte Bedrohungslage zur Kenntnis
zu nehmen, bis zum Ende durchzudenken und die entsprechenden Maßnahmen
einzuleiten, um unserer Bevölkerung ein Mindestmaß an SCHUTZ und HILFE
in Notzeiten gewährleisten zu können.
Mag. Udo Ladinig, Oberst aD