
Die Sinnfrage wird sich sehr rasch stellen, wenn in Fragen der
Heeresreform die Träumer eines Präsenzheeres (derzeit ist das ÖBH real
als Kaderrahmenpräsenzheer aufgestellt, in dem allgemein Wehrpflichtige
entweder als Systemerhalter oder als „menschliches Auffüllmaterial“
dienen) die Oberhand behalten.
Je nach Zahl der Einrückungstermine gibt es dann mit neben
Systemerhaltern fünf Monate ausgebildeten Rekruten in deren sechstem
GWD-Monat jeweils vier Wochen lang einen feldverwendungsfähigen Verband
(Brigade), der vielleicht auch übt. Danach werden die Rekruten
entlassen, nicht mehr wiederbeansprucht und das Rad beginnt sich wieder
von vorne neu zu drehen. Damit ist zwar der Traum eines
„Möchtegernpräsenzheeres“ erfüllt, Berufskader dürfen sich freuen,
vielleicht bei einem Manöver ihre Führungsfähigkeit trainiert zu haben –
die Wehrpflichtigen werden sich aber fragen: Wofür? Daran wird auch
jede noch so begrüßenswerte Verbesserung des Soldatenalltags, jeder
Fremdsprachenkurs und jede noch so attraktive Sportstunde keine Antwort
geben können.
Die Einsatzszenarien für das Bundesheer liegen auf dem Tisch
Von insgesamt sieben gibt es ein einziges Szenarium, welches präsente
Kräfte fordert: die Luftraumüberwachung. Alles andere ist mit einem
Bedarfsheer abdeckbar, das (oder dessen Teile) dann in Dienst gestellt
wird, wenn man es braucht. Die dafür sich anbietende Organisationsform
ist jene der Miliz – nicht nur die kostengünstigste, sondern obendrein
die einzig verfassungskonforme. Ein Heer, in dem Berufskader ein
integrierter Faktor wären. Nicht umgekehrt – ein Berufskaderrahmenheer,
das nicht gebraucht wird und das mit einem ungewissen
Freiwilligenmilizfeigenblatt als Anhängsel versehen wird. Nur ein
Milizheer rechtfertigt unter österreichischen Rahmenbedingungen die
allgemeine Wehrpflicht. Je „föderalistischer“ oder „territorialer“,
desto besser – meinetwegen in jedem Verwaltungsbezirk ein Bataillon.
Dann hätte übrigens das Heer die Mannstärke der Schweiz, deren
Territorium halb so groß ist, wie das österreichische. Aber vielleicht
haben die Schweizer eine andere Bedrohungslage oder zumindest anders
tickende Uhren.
Wenn es gilt, das Ergebnis einer Volksbefragung zu akzeptieren und die
allgemeine Wehrpflicht als verbindlichen Volksentscheid politisch
umzusetzen, um wie vieles mehr muss dann der in der Bundesverfassung
festgeschrieben Wille der Volksvertretung Gültigkeit besitzen, der da
die Wehrpflichtmiliz gebietet? Noch dazu, wenn der Budgetfahrplan zu
höchster Sparsamkeit zwingt und es die Einsatzszenarien geradezu
aufdrängen!
Wer will, dass dieses Heer als Berufskaderrahmenheer mit Pseudomiliz
aufgestellt bleibt, wie es ist, der will nicht, dass es bleibt. Selbst
hohe Berufsoffiziere, die sich in Fragen der Volksbefragung sehr bedeckt
gehalten haben, erkennen (und getrauen es sich jetzt sogar zu sagen):
„Das System muss neu aufgesetzt werden!“ Beginnen wir damit jetzt, ehe
es zu spät ist. Denn wenn es gilt, die Sinnfrage des Heeres zu
beantworten, wird – so sich nicht Grundsätzliches ändert - der 20.
Jänner 2013 der Tag eines Pyrrhussieges gewesen sein.