Die Rote Linie und ein marschierender General

Ãœber einen unnotwendigen Aufruf zum Aufstand, Beurteilungen und das Marschieren - zumindest wenn es nach dem Chef des Generalstabs geht.


Im März 2014 kann man der Parlamentskorrespondenz entnehmen, der Verteidigungsminister habe im zuständigen Ausschuss des Nationalrats erklärt, den Budgetsparkurs mitzutragen, mit den vorgesehenen Mitteln auszukommen und dennoch die Einsatzbereitschaft des Heeres sicherzustellen.

Noch am 18. August erklärt er sich in Graz als Teamplayer und verkündet die Einsatzbereitschaft des Heeres. Unmittelbar darauf werden Rufe aus seinem Ressort laut, dass man das Heer aushungere und man mehr Mittel benötige.

Der Finanzminister verweist darauf, dass das BMLVS mehr Mittel aus dem Staatshaushalt erhalte als vergleichsweise im Vorjahr und fügt hinzu:
Er glaube an die Problemlösungsapazität des Verteidigungsministers und verweist darauf, dass die Miliz noch nicht den Stellenwert im Bundesheer habe, der ihr eigentlich zukomme. "Das ist die kompetenteste und kostengünstige Personalreserve die wir haben. Wir haben ein Milizsystem nach der Verfassung und das gehört ausgebaut", so der Vizekanzler, und „dort könne auch ein Teil der Lösung der Budgetnöte des Bundesheeres liegen.“

Darauf wird in einer österreichischen Tageszeitung (Österreich) der ranghöchste Offizier des Bundesheeres zitiert: „Spindelegger hat die rote Linie überschritten!“. Und ebenda später: „Wir beurteilen, und dann marschieren wir!“

Die Rote Linie


Wir kennen den Begriff leider aus der jüngeren Geschichte und der Gegenwart. Spätestens seit dem Syrien-Konflikt, als Barrack Obama von „der Ãœberschreitung der Roten Linie“ sprach. Damals ging es um den Einsatz von Chemiewaffen durch das syrische Militär.

Im friedlichen Österreich befleißigt sich der Generalstabschef dieser Kriegsrhetorik, weil es der Vizekanzler der Republik „wagt“, als Finanzminister an die teure und budgetfressende Struktur des Heeres zu erinnern und die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Reform andeutet – nicht mehr und nicht weniger.

Heer und Demokratie


Aufrechte Demokraten fragen sich, ob da jemand seine Rolle als Offizier missversteht. Vor allem, wenn unter Verwendung dieser Kriegsrhetorik nachgelegt wird: „Wir beurteilen, und dann marschieren wir!“ Wohin denn? Ist diese Denkweise gar signifikant für jene Personengruppe im Offizierskorps, aus deren Vorstellungen die Reformvorschläge vergangener Jahre stammen? Tätigte diese Aussage ein Wachtmeister in einem Tiroler Gebirgstal im Rahmen einer Speckjause gegenüber seinem Landeshauptmann, würde man lächelnd darüber hinwegsehen. Aber der Generalstabschef?

Mag sein, dass er durch Kritik politischer Eliten, in der diese auf einen Reformstau verweisen, höchst emotionalisiert ist. Verständlich, hat Commenda doch vor seiner Bestellung zum ranghöchsten Offizier jahrelang als Projektleiter an der Umsetzung der Empfehlungen einer außerparlamentarischen Reformkommission gearbeitet, die auf einen NATO-Beitritt und ein Berufsheer abzielten.

Bericht BHRKUnzählige Reformvorschläge für Das Bundesheer sind in der Zweiten Republik den Bach hinuntergegangen. Den traurigen Höhepunkt bildeten wohl die Empfehlungen der BHRK 2010, deren Umsetzung begonnen wurde, ohne die gesetzlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Waren Minister und die militärische Führung gutgläubig oder gar blind?

Bild: MG

Nie und nimmer wurde von Commenda und seinesgleichen das forciert, was der Gesetzgeber unmissverständlich verlangt - ein Heer nach den Grundsätzen eines Milizsystems. Im Gegenteil: Unter seiner Mitarbeit kam es zum dramatischen Verfall der vom Souverän bestimmten Organisationsform des Heeres. Die Miliz wurde strukturell, finanziell, personell und materiell ausgehungert.

Wenn er nun gar den vormals Zweiten Mann im Staat auffordert (Der Standard, 26 08), wegen dessen Kritik bezöglich unterlassener verfassungskonformer Reformvorschläge – Andreas Khol hatte die derzeitige Militärspitze als Unterlassungstäter bezeichnet – sich bei ihm und sämtlichen Kommandanten aller Ebenen zu entschuldigen, scheint einiges nicht mehr im Lot zu sein.

Nicht irgendeine - eine verfassungskonforme Reform ist gefordert


Es ist höchste Zeit, eine verfassungskonforme Reform anzugehen. Khols berechtigte Kritik richtete sich an eine kleine, aber einflussreiche Gruppe von Offizieren, welche die tragische Entwicklung dieses Heeres vorauseilend mitgetragen hat. Nimmt da ein Generalstabschef gleich ein ganzes Offizierskorps quasi in Geiselhaft?

Man stelle sich die Wortmeldungen Commendas in anderen Staaten vor. In entwickelten Demokratien Skandinaviens etwa. Mit einem ranghöchsten Offizier, der die Aussage trifft: „ Wir beurteilen, und dann marschieren wir!“ Dass in Österreich zu diesen Aussagen weder aus Politik noch aus Medien Reaktionen erfolgten, mag bezeichnend sein. Entweder interessiert man sich weiterhin kaum für das Politikfeld Militär oder man nimmt den Chef des Generalstabs und seine Aussagen ohnedies nicht ernst.

Bleibt zu hoffen, dass der General sich nur im "pluralis majestatis" ausgedrückt hat und er es sich wirklich wünscht – nur für sich, und die Konsequenzen zieht …   MG

[Wer ein Mitglied des Nationalrats, des Bundesrats, der Bundesversammlung, der Bundesregierung, eines Landtags, einer Landesregierung, des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs oder des Obersten Gerichtshofs oder den Präsidenten des Rechnungshofs, den Leiter eines Landesrechnungshofs oder deren Stellvertreter mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung nötigt oder hindert, seine Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinn auszuüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und im Fall einer schweren Nötigung (§ 106) mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. § 251 StG]