Ein ganzes Jahr danach ... nolens volens Miliz?

Vorgaben zum Erhalt der "Einsatzbereitschaft" eines Heeres, das bloß aus einem Rahmen von Berufskadern besteht, sind zu wenig - das System, in dem die Wehrpflichtigen dienen, braucht eine Reform. Und zwar rasch!


Mit einem deutlichen Ja zur allgemeinen Wehrpflicht sind wir vor einem Jahr zu den Urnen geschritten. Als Teil einer Zivilgesellschaft, die sich am 20. J�nner 2013 nicht nur mit einem deutlichen Votum dazu erhoben hat, sondern die auch wach genug ist, zu beobachten, mit welchem Sinngehalt die politisch Verantwortlichen diese Wehrpflicht versehen. Im derzeitigen System des Bundesheers ist sie jedenfalls kaum erkennbar. Und wer will, dass dieses System so bleibt, wie es ist, kann nicht wollen, dass die Wehrpflicht bleibt und unser Heer je ein einsatzf�higes wird. F�r welches Szenario auch immer. Daran �ndern auch Ank�ndigungen von 180 Ideen zur Verbesserung des Rekrutenalltags nichts, weil nicht die Ausbildung allein das Ziel sein kann, sondern letztlich im Bedarfsfall die Verwendung im Einsatzheer.

Perpetuum mobile militaris Austriacae


Der Chefredakteur einer ausl�ndischen Fachzeitschrift, vor kurzem in �sterreich zu Gast, konnte etwa nicht verstehen, dass man bei uns fast sechs Monate ben�tigt, um aus einem Jungerwachsenen einen feldverwendungsf�higen Soldaten (Anm.: so hei�t das im Fachjargon) zu machen. Gestaunt hat er, dass es als Chimborasso der W�nsche erscheint, das Produkt einer sechsmonatigen Ausbildung mit dem Erreichen des Ausbildungsziels auf Nimmerwiedersehen zu entlassen – ohne weitere Inanspruchnahme. Und dass danach die n�chsten kommen, um ausgebildet zu werden, und nach denen die �bern�chsten - ein perpetuum mobile militaris.

Ein System ohne Nutzen, denn es gibt weder ein pr�sentes Einsatzheer (was mangels akuter Bedrohung auch unn�tig w�re) noch ein mobil zu machendes (f�r den Bedarfsfall). Trotzdem gibt es mehr als 20.000 Bedienstete im Personalstand des BMLVS zur Verwaltung und Ausbildung von pro Jahr ebenso vielen Wehrpflichtigen (f�r sechs Monate). Alles noch lange kein Heer, denn die Mannschaften, also das, was die Masse eines Heeres ausmacht, stehen ja lediglich in Ausbildung und werden unmittelbar nach Erreichen des Ausbildungsziels entlassen – ohne je in der verfassungsgebotenen Funktion wieder beansprucht zu werden. Die Wehrpflicht beschr�nkt sich also f�lschlicherweise  auf die Grundausbildung und nicht auf den eigentlichen Zweck, die ausgebildeten  Rekruten im Bedarfsfall in der Einsatzarmee nutzen zu k�nnen.

Gesetzeskonformit�t


Bekanntlich gebieten die Gesetze sogar in unserer Bundesverfassung (z.B. im Art. 79) ein Heer nach dem Grundsatz der Miliz. Wesentliche Merkmale dieses Prinzips sind u. a. eine kurze Grundausbildung und danach wiederkehrende �bungen, um im Einsatz ger�stet zu sein. Merkmale eines Heeres, das im Bedarfsfall mobil gemacht wird oder zumindest in Teilen in Dienst gestellt wird. Wenn man daher das Bundesheer, wie es sich heute darstellt, als ein Heer bezeichnet, das nach gesetzlich festgelegtem Grundsatz der Miliz ausgerichtet w�re, ist dies falsch. Nicht richtiger wird dies, wenn man einem angeblich "bew�hrten Mischsystem" das Wort redet.

G�nzlich unverst�ndlich wird es, wenn dieses System dann noch von Politikern und uniformierten Beamten protegiert wird, die sich in ihrem Dienstgel�bnis verpflichtet haben, in der Amtsf�hrung die Gesetze dieser Republik getreulich zu beachten.

Ministergel�bnisSie werden im Sinne des Artikels 72 B-VG….  geloben, die Bundesverfassung und alle Gesetze der Republik �sterreich getreulich zu beobachten und die mit ihren �mtern als Mitglieder der Bundesregierung und als Staatssekret�r verbundenen Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erf�llen“. Dieses Gel�bnis wurde mit Handschlag und Unterschrift bekr�ftigt.     Foto: Bundesheer/Lechner


Ein Jahr danach


Der 20. J�nner 2014 als Jahrestag der Volksbefragung k�nnte Anlass geben, Nachschau zu halten, wie es um den Sinngehalt der Wehrpflicht aussieht, in der j�hrlich zigtausend junge Staatsb�rger sechs Monate als milit�rische Lehrlinge beansprucht werden, um - ohne Wehrdienst im Sinne des Gesetzgebers geleistet zu haben - gleich nach Lehrabschluss entlassen zu werden. Ohne verfassungskonforme System�nderung wird sich die Frage der Wehrpflicht sehr bald einmal wieder stellen.

Eine System�nderung zur Miliz w�rde nicht nur dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, sie w�rde der Wehrpflicht Sinn geben – und sie w�re zudem obendrein weit kosteng�nstiger. Nolens volens (aus Sicht jener im Heer, die sich noch immer ein Berufsheer w�nschen): Dann k�nnte es zumindest von der personellen und finanziellen Seite her ein Heer geben, von dem nicht nur der Minister Einsatzbereitschaft f�r den Bedarfsfall erwarten kann und darf. MG