Seitenblicke zu Auslandseinsätzen

Kurz oder Klug - wer entscheidet wirklich über die Entsendung österreichischer Soldaten ins Ausland?


In Deutschland skizziert im Rahmen eines Interviews für das Magazin DerSpiegel die erste Verteidigungsministerin der Bundesrepublik ihre Vorstellungen von einer gemeinsamen europäischen Armee. Sie tut dies als Ministerin eines Staates, der in ein militärisches Bündnis eingebunden ist – dem der NATO.

Das Besondere in diesem Interview ist, dass erstmals nach dem „ewigen Kalauer“ von der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch und der Notwendigkeit des Einsatzes deutscher Truppen im Ausland auf Grund eines Regierungsbeschlusses ein Regierungsmitglied glasklar feststellt, dass es für einen Einsatz deutscher Soldaten im Ausland parlamentarische Entscheidungen zu geben hat.

Bedarf es des klaren Blicks und des Hausverstands einer Frau, um die Bedeutung besonderer Legitimität von Auslandsmissionen zu erkennen? „Im Gegensatz zu Frankreich, wo der Staatspräsident über die Entsendung von Truppen ins Ausland entscheidet, ist die Deutsche Bundeswehr eine Parlamentsarmee“, meint van der Leyen im Spiegelinterview.

Läuft da in Österreich etwas verkehrt?


In Österreich liefern sich Außen- und Verteidigungsminister ein Scheingefecht darüber, wer die Entscheidung darüber zu treffen hat, wann und wohin wie viele Soldaten zum Auslandseinsatz entsendet werden. Jüngst melden österreichische Medien gar (z.B. KURIER, 29 01) den österreichischen Verteidigungsminister zitierend: „Wir stocken das Kontingent auf, das ist schon beschlossen“.

Ja der Minister glaubt’s vielleicht sogar selbst, wiewohl auch aus dem Außenministerium zu verlauten ist, dass man darauf bestehe, dass – wie in der Regierungserklärung genannt – stets mindestens 1.100 österreichische Soldaten im Auslandseinsatz zu stehen hätten. Dabei beruft man sich auf ein Strategiepapier des Nationalrats, das allerdings nur einen Personalrahmen nennt. Ein Papier, das maximal eine Richtlinie darstellt, ohne eine Entscheidung für konkrete Einsätze vorwegzunehmen. Ohne auf die Art eines Einsatzes, noch auf irgendeinen Einsatzraum oder gar die Finanzierung einzugehen.


Auf den Kopf gestellt!Nicht nur die Fahne im Rucksack scheint auf dem Kopf zu stehen >>
[Bild: www.bundesheer.at]

Es scheint rätselhaft, wie man angesichts des Sparzwangs und des Verfassungsgebotes der Neutralität dies so festschreiben konnte. Wurden hier gar bloß Wunschvorstellungen eifriger Regierungsbeamter artikuliert? Fehlt es den Parlamentariern an einem entsprechenden Expertenstab, den es etwa in anderen Ländern gibt?

Wer entscheidet?


Berichte um einen Disput zwischen zwei Ministern um die Kompetenz einer Entscheidung machen die Sache nicht besser. Denn geht es um die Zuständigkeit, kann keiner der beiden Herren auch nur einen einzigen Soldaten zur "solidarischen Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung .... oder in Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" (zit. RIS/KSE-BVG §1 a) oder Maßnahmen der humanitären Hilfe oder Katastrophenhilfe ins Ausland entsenden.

Das Gesetz gibt Auskunft. Zumindest auf dem Papier. Demnach entscheiden weder Kurz noch Klug. Im Österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) heißt es u.a.:

§ 2. (1) Zu Entsendungen nach § 1 Z 1 lit. a und b ist die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates berufen.

Es ist allemal die österreichische Bundesregierung in ihrer Gesamtheit im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats, welche entscheidet. Ohne das Volk, sprich dessen Vertretung, geht also nichts. Kann also auch Österreich stolz sein, eine „Parlamentsarmee“ zu besitzen?
 
Dass die Entsendekompetenz stets einem der beiden Minister „zugeschrieben“ wird, so lange, bis diese es am Ende selbst glauben, mag eine der Eigenheiten des österreichischen politischen Systems und der Berichterstattung über dieses sein, in der man mitunter die Volksvertretung als „Abnickungsmaschinerie“ degradiert sehen möchte.

Es wäre höchste Zeit, dem Prinzip der Gewaltenteilung und jenem des politischen Primats vermehrt Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Die personelle „Hälfte-Erneuerung“ des Nationalrats lässt diesbezüglich hoffen. Schließlich hat Regierungsarbeit das zu vollzeihen, was der Gesetzgeber vorschreibt. Seitenblicke nach Deutschland – zumindest solche, die nicht nur darüber berichten, wer da wann mit wem gefrühstückt hat – könnten bezüglich des Respekts eines Regierungsmitglieds vor dem Parlament nicht nur interessant sondern auch beispielgebend sein. MG