Des Kaisers neue Kleider - Klugs neue Miliz

Ein satirischer Einstieg zu einem weiteren "märchenhaften" Nebeltopf


Das Märchen ‚Des Kaisers neue Kleider‘ stammt aus dem Jahr 1837. Geschrieben hat es Hans Christian Andersen. Es handelt von einem Kaiser, der sich von zwei Betrügern für viel Geld neue Gewänder weben lässt. Diese machen ihm vor, die Kleider seien nicht gewöhnlich, sondern könnten nur von Personen gesehen werden, die ihres Amts würdig und nicht dumm seien. Tatsächlich geben die Betrüger nur vor, zu weben und dem Kaiser die Kleider zu überreichen.

von Vilhelm Pedersen Aus Eitelkeit und innerer Unsicherheit erwähnt er nicht, dass er die Kleider selbst auch nicht sehen kann und auch die Menschen, denen er seine neuen Gewänder präsentiert, geben Begeisterung über die scheinbar schönen Stoffe vor. Der Schwindel fliegt erst bei einem Festumzug auf, als ein Kind sagt, der Kaiser habe gar keine Kleider an. Diese Aussage verbreitete sich in der Menge bis zuletzt das ganze Volk in diesem Ruf einstimmte. Der Kaiser erkannte nun, dass das Volk recht zu haben schien, entschied sich aber ‚auszuhalten‘ und er sowie sein Hofstaat setzen die Parade fort.

Das heutige ‚Märchen‘:

Am 8. April 2015 verkündete der derzeitige Bundesminister Klug die Beendigung des gescheiterten Darabos‘chen Profimilizprojekts mit Ende des Jahres, um nur einen Tag später ein eigenes, neues Klug‘sches Profimilizkonzept zu präsentieren.

Es war ein fliegender Wechsel im Sinne ‚des Kaisers neue Kleider‘, wo man hurtig ein - von Anfang an sinnloses und nicht der Verfassungsbestimmung entsprechendes - ‚Pilotprojekt‘, bei dem die Werbemaßnahmen rd. 50 % der dafür abgezweigten Budgetmittel von 4,4 Millionen Euro ausmachten, als gescheitert bezeichnen musste, und es unmittelbar darauf durch ein neues - ebenso falsch konzipiertes - ‚Profimilizprojekt‘ ersetzte. DiePRESSE schrieb dazu: „Ganz überraschend kam es nicht ……“.

Die mediengerechte Ankündigung des ‚neuen‘ Milizprojekts vom 9- April 2015 war - erwarteter Weise - nur ein ‚Aufguss‘ des alten, gescheiterten Modells, nämlich erneut ein Profimilizkonzept auf freiwilliger Basis, eine Freiwilligenmiliz, mit einem neuen finanziellen Anreizsystem für die weitgehend nicht vorhandenen (und eben erst zu findenden!) Soldaten.

So als hätten die früheren ‚Milizmodelle‘ nicht diverse territoriale Aufgaben gehabt (neben der territorialen militärischen Landesverteidigung - z.B. auch Infrastrukturschutz, Objektschutz etc.), wurden eben diese Aufgaben (BM Klug nennt es das ‚Aufgabenprofil‘!) als etwas ganz Neues angepriesen. Ein neues, auch geringeres, finanzielles Anreizsystem soll nun viele Freiwillige anlocken, die man schon beim Daraboskonzept bei Weitem nicht in ausreichender Zahl und Qualifikation gefunden hat. Das Ergebnis ist wie beim früheren Modell vorhersehbar, da es nur eine Fortsetzung des politischen Fehlverhaltens und somit eine neu aufgelegte Vernebelungsaktion ist.

Was wird hier erneut falsch gemacht?

Die grundsätzliche Antwort lautet: In geradezu unbegreiflicher Weise wird das Bundes-Verfassungsgesetz zur Aufstellung und Einsatzvorbereitung des Bundesheeres nicht entsprechend vollzogen! Das vom Parlament beschlossene Gesetz spricht vom Auftrag und der Notwendigkeit ein Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten, also ein Heer das personell weit überwiegend von gut ausgebildeten und periodisch übenden zivilberuflichen Staatsbürgern gebildet wird. Diese Forderung steht nicht nur im verpflichtenden Verfassungsartikel 79 Absatz 1, sondern ist das Gebot sicherheitspolitischer Vernunft.

Nur dieses System ist auch finanziell leistbar und ist als Bedarfsheer für einen zukünftigen Einsatz bei leider möglichen Bedrohungen verschiedenster Art aufzubieten.

Man wird durch die Bestimmungen der Österreichischen Bundesverfassung auch darin bestätigt, dass es nur ein (gemeinsames) Bundesheer geben sollte, und nicht eine Art stehendes Berufsheer plus einer Miliz. Eine solche Konstruktion, entspricht keinesfalls dem Auftrag durch die Österreichische Bundesverfassung, und auch nicht den aktuellen Anforderungen an unsere militärischen Strukturen und Fähigkeiten im 21. Jahrhundert.

Konsequenz: Keine eigenen ‚Milizverbände‘, sondern Verbände des Bundesheeres, die aus jeweils entsprechenden meist kleineren Anteilen von Berufssoldaten und von meist größeren Anteilen an Soldaten aus dem Milizstand formiert werden. Also keine 2-Klassen Armee sondern integrierte Verbände im gesamten Milizsystem. Denn ‚Miliz’ ist ein Systembegriff, ein Organisationkonzept und sollte in einem personell integrierten Bundesheer keine trennende Personenbezeichnung sein.

Die früheren Anteile von rund 20.000 Berufsmilitärs und 250.000 Soldaten im Milizstand ergab einen Aufteilungsschlüssel von 10 % ‚Beruf‘ zu 90 % ‚Miliz‘ (ein typisches Milzsystem). Im Laufe der Zeit wurde der ‚Miliz‘-Anteil durch Streichung ständig reduziert, der Berufsanteil aber im Wesentlichen beibehalten. Das konnte nicht gut gehen, wie wir heute sehen, wo wir fast 16.000 Berufsmilitärs haben, aber nicht einmal eine gesicherte Anzahl von Milizkräften um die derzeit gewünschte Anzahl von insgesamt 55.000 Soldaten auch nur annähernd zu erreichen.

Durch die derzeitigen Maßnahmen und Planungen werden sowohl die Erfüllung der Kernaufgabe (militärische Landesverteidigung durch ein Milizsystem zum Schutz der eigenen Bevölkerung im eigenen Territorium) und die weiteren, zusätzlichen Aufgaben weitgehend in Frage gestellt. Laut Wehrgesetz sind über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus, bei Bedarf, zusätzliche Einsatzarten, wie Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen sowie ein sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsätze, Hilfestellung im Katastrophenfall, und Auslandseinsätze, entsprechend durchzuführen. All diese Sekundäraufgaben können logischer Weise nur auf der Basis der militärischen Kernaufgabe, als Grundfähigkeit, entsprechend gut durchgeführt werden.

Ein augenscheinlicher Fehler in der Vollziehung des gesetzlichen Auftrags wird hinsichtlich der aktuellen Durchführung des Wehrdienstes deutlich erkennbar, der von 6 + 2 Monate auf 6 + 0 Monate reduziert wurde, was den garantierten Aufbau eines entsprechenden Milizsystems praktisch unmöglich macht. Die bisherigen – gescheiterten – Versuche bestätigen das. Der Versuch eine ausreichende Anzahl an Soldaten durch Freiwilligkeit zur einsatzorientierten Befüllung für ‚Milizübungen’ zu bekommen, war von Anfang an zu bezweifeln, und ist auch tatsächlich nicht erreicht worden. Was sollen daher weitere Alibihandlungen?

Es wäre einfach ...

Dabei wäre es für die Regierung und für den Verteidigungsminister sehr einfach gewesen statt der von ihm angekündigten (aber sicher nicht wirklich erreichbaren und obendrein ungenügenden) 12 ‚Milizkompanien‘ ab 2016 bis 2019! die Wehrdienstzeit von weitgehend sinnlosen 6 + 0 Monaten noch im Jahre 2015 auf 5 + 1 Monate Wehrdienstzeit umzustrukturieren.

Das ergäbe endlich wieder – mit einem Schlag - den garantierten Aufwuchs von Milizkräften für die Formierung der einsatzorientierten Verbände des verfassungsgemäß aufgestellten Bundesheeres. Die schrittweise Reduktion von nicht benötigten Berufs-Beamtenmilitärs müsste folgen, um endlich die diesbezüglichen Personalkosten deutlich zu senken.

Die Frage, warum dies nicht sofort gemacht wird, ist mehr als berechtigt: Die dilettantischen Versuche der vergangenen Jahre sind klar gescheitert. Wollen wir ‚weiter‘ scheitern?

Zu den Themen Verfassungsauftrag, Bundesheer, Bundesminister, Beraterstab etc. und beim Kernproblem des falschen Verständnis vom Milizbegriff drängt sich geradezu die Erinnerung an Hans Christian Andersens Märchen auf. Die Frage erhebt sich, wer ist der Kaiser, wer sein Hofstaat, wer ist eines Amtes würdig und nicht dumm. Und last but not least: Wo sind die ‚Kleider‘ und die ‚Betrüger‘?

ACL

Illustration (public domain) von Vilhelm Pedersen (1820 – 1859)
zum Märchen ‚Des Kaisers neue Kleider‘
von H. C. Andersen 1837